Jan Hus, Öl auf Leinwand, 17. Jh.
Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/B G 0097
Bereits vor der von Luther angestoßenen Reformation im 16. Jahrhundert löste Jan Hus um 1400 in Böhmen Umwälzungen innerhalb der christlichen Kirche aus. Auf seine Lehren berief sich die Böhmische Brüderkirche (Unitas Fratrum), welche sich im 15. Jahrhundert herausbildete. Aufgrund ihres Bekenntnisses zur Augsburger Konfession und in Folge der Rekatholisierung Böhmens nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 mussten viele Nichtkatholiken ihre Heimat verlassen.
Karte von Böhmen, Mähren, Schlesien und der Lausitz, kolorierter Kupferstich von Nicolas Sanson, Peter Schenck (Verlag), Amsterdam, [17. Jh.].
Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 86 A 33 (140)
Zwischen 1620 und 1781 wanderten böhmische und mährische Glaubensflüchtlinge in mehreren Emigrationswellen vor allem nach Sachsen, Schlesien, Großpolen und Oberungarn sowie in die Niederlande und nach England aus.
Der böhmische Theologe, Prediger und Reformator Jan Hus (um 1370–1415) setzte sich schon um 1400 – also bereits deutlich vor der Zeit Luthers – für eine Erneuerung der christlichen Kirche ein. Seine Lehren stießen auf massive Kritik seitens der katholischen Kirche. Als Hus während des Konzils von Konstanz (1414–1418) seine Lehren nicht widerrufen wollte, wurde er 1415 als Ketzer verbrannt.
Die Confessio Augustana (1530) stellt das grundlegende Bekenntnis der lutherischen Reichsstände zu ihrem Glauben dar und zählt noch heute zu den verbindlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche. Durch den Augsburger Religionsfrieden wurde im Jahr 1555 der jeweilige Landesherr ermächtigt, die Religion seiner Untertanen zu bestimmen (ius reformandi). Den Untertanen, die nicht konvertieren wollten, wurde zumindest das Recht zugestanden, in ein Territorium ihres Glaubens auszuwandern (ius emigrandi).
Confessio oder Bekantnus des glaubens etlicher Fürsten unnd Stedte. Uberantwort Keiserlicher Maiestat. Zu Augspurg. Anno M.D.XXX […].
Erfurt: Andreas Rauscher, 1532.
Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 51 J 20 [2]
Der Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius (1592–1670) war der letzte aktive Bischof der Böhmischen Brüderkirche. Nach der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620 mussten Comenius und seine Glaubensbrüder Böhmen verlassen.
Johann Amos Comenius, Kupferstich und Radierung, [1671/1733].
Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: Porträtsammlung: B 964
August Hermann Francke war es gelungen, in den Besitz von ca. 1.400 Blättern der Handschriften des Comenius zu gelangen, welche nach und nach herausgegeben werden sollten. Die Historia Fratrum Bohemorum (Geschichte der Böhmischen Brüder) sollte den ersten Teil von insgesamt sieben geplanten Veröffentlichungen darstellen. Es erschien jedoch letztlich nur dieser erste Teil.
Comenius, Johann Amos: Historia Fratrum Bohemorum […].
Halle: Waisenhaus, 1702.
Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: 75 E 3 [3]
In Verbindung mit seiner weltweit ausstrahlenden religiösen und gesellschaftlichen Erneuerungsbewegung war es ein Anliegen August Hermann Franckes (1663–1727), die unterdrückten Lutheraner in Böhmen und Mähren sowie die Exulanten in Barby an der Elbe und in der Lausitz zu unterstützen und mit Büchern in ihrer Muttersprache zu versorgen.
Im Auftrag des Halleschen Waisenhauses besuchte Franckes Mitarbeiter Heinrich Milde (1676–1739), der für die Kontakte des Halleschen Waisenhauses nach Ost- und Ostmitteleuropa zuständig war, mehrmals diese Exulantengemeinden. Die Exulantengemeinde in Großhennersdorf unterstand der Adelsfamilie der Freiherrn von Gersdorf. In diesem Gebiet hatten sich bereits seit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts böhmische Flüchtlinge angesiedelt.
Die Glauchaschen Anstalten pflegten enge Kontakte zur Adelsfamilie der Freiherrn von Gersdorf. Henriette Catharina von Gersdorf (1648-1726) war eine Förderin von Reformbewegungen in der evangelischen Kirche. Ihre Tochter Henriette Sophie von Gersdorf (1686–1761) gründete 1725 bei Großhennersdorf in der Oberlausitz die Exulantengemeinde Na kopečku/Schönbrunn, welche Heinrich Milde mehrfach besuchte.
Henriette Catharina von Gersdorf, Kupferstich von [Johann Friedrich] Roßbach.
Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: Porträtsammlung: D 124
In dem Brief dankt v. Gersdorf für A. H. Franckes Anteilnahme am Tod ihrer Mutter Henriette Catharina v. Gersdorf. Sie informiert darüber, dass der aus religiösen Gründen aus Schlesien geflohene Johann Liberda die Katecheten- und Lehrerstelle in der böhmischen Gemeinde angenommen hat und erwartet dessen Ankunft in Großhennersdorf. Liberda wurde zu einem leidenschaftlichen Übersetzer und Herausgeber tschechischer Drucke in Lauban.
Brief von Henriette Sophie v. Gersdorf an August Hermann Francke.
Großhennersdorf, 15.05.1726
Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/H C 18 Bl. 354-356
Das Schicksal der böhmischen Gemeinde in Großhennersdorf fand auch Eingang in die tschechische Literatur. In seinem Epos »Labuti zpév«, zu Deutsch »Schwanengesang«, berichtet der Lehrer an der tschechischen Schule in Berlin Martin Kopetzky († 1754) aus eigener Anschauung in 202 Strophen über diese tschechischen Exulanten und ihren Pastor Johann Liberda, ihren Konflikt mit der Grundherrschaft sowie ihre Auswanderung nach Preußen, die schließlich zur Gründung der tschechischen Kirchengemeinde in Berlin führte.
Die einzige tschechische Abschrift dieses einzigartigen Dokuments befindet sich in der Bibliothek des Prager Nationalmuseums.
Kopetzky, Martin: Schwanengesang oder glaubwürdige Nachricht von den böhmischen Emigranten.
[Berlin], um 1750
Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/H C 371 : 9